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Es ist zu wenig Boden da

In New York werden bis kommenden Donnerstag die Entwürfe zu den UN-Zielen für eine nachhaltige Entwicklung diskutiert – die "Sustainable Delevopment Goals". Allerdings zeigen gleich zwei Studien, dass die von den Diplomaten verhandelten Paragrafen einander widersprechen: Es fehlt an Flächen für zehn der 17 Ziele.

Aus Berlin Sandra Kirchner

Weniger Armut, weniger Hunger, mehr Gleichberechtigung – das waren die noblen Absichten, die die UN-Staaten mit ihren Millenniumszielen bis 2015 verfolgten. Weil das aber nur zum Teilgeklappt hat, wollen die Staats- und Regierungschefs im kommenden September entscheiden, wie es mit den großen Aufgaben der Menschheit weitergeht. Beschlossen werden sollen sogenannte Sustainable Development Goals, mit denen die menschliche Entwicklung binnen der nächsten 15 Jahre nachhaltiger gemacht werden soll.

Die Nachhaltgkeitsziele widersprechen einander: Werden alle Maßnahmen addiert, braucht man dafür viel mehr Fläche, als verfügbar ist, sagt die Studie. (Foto: Verena Kern)

Die Vorbereitungen für die neuen Ziele werden in New York getroffen. Ab diesem Dienstag verhandelt die internationale Staatengemeinschaft am Stammsitz der Vereinten Nationen darüber, wie eine nachhaltige Entwicklung nach 2015 vorangetrieben werden kann. Der jetzige Entwurf der Nachhaltigkeitsziele, der nach Diskussionen in UN-Arbeitsgruppen vorgelegt wurde, enthält 17 Ziele mit 169 Einzelvorgaben. Noch immer ist die Beseitigung von Armut und Hunger der größte Schwerpunkt, doch im Vergleich zu den Millenniumszielen ist in den Sustainable Delevopment Goals der Umwelt- und Klimaschutz wesentlich stärker verankert.

Wissenschaftler vom Potsdamer Nachhaltigkeitsinstitut IASS, vom International Resource Panel der Unep und vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse IIASA in Wien sind der Frage nachgegangen, wie nachhaltig die nachhaltigen Entwicklungsziele tatsächlich sind. Schwerpunkt der Untersuchungen waren natürliche Ressourcen wie Böden und Biomasse. Das Ergebnis: Die jetzt von der UNO diskutierten Ziele sind in sich nicht schlüssig. "Ein heftiges Spannungsverhältnis wurde in die Sustainable Delevopment Goals hineindefiniert", sagt Ernst-Ulrich von Weizsäcker, Leiter des International Resource Panel, bei der Vorstellung der Ergebnisse an diesem Montag in Berlin.

Die Ziele werden nicht im Zusammenspiel betrachtet

Gleich zehn der 17 Sustainable Delevopment Goals beziehen sich direkt oder indirekt auf Böden. Nahrungsmittelsicherheit für alle Menschen und eine Verdopplung der Zahl von Kleinbauern sind etwa in Ziel Nummer zwei verankert. Derzeit hungern 805 Millionen Menschen weltweit und wegen der Erderwärmung drohen weitere Flächen für die Nahrungsmittelproduktion verloren zu gehen. Dagegen geht es in Ziel fünfzehn um das Ende von Wüstenbildung und Abholzung und um einen Stopp der Artenvernichtung.

Wollte man aber die Biodiversität erhöhen, so müssten große Landstriche aus der Nutzung genommen werden, was andernorts wieder kompensiert werden müsste. Beides könne zusammen nicht funktionieren. Würde man den aus allen Sustainable Delevopment Goals resultierenden Landbedarf addieren, wäre mehr Landfläche notwendig als die global vorhandene, warnt daher die vorgestellte IASS-Studie.

Folglich dürften die verschiedenen "Sustainable Development Goals" nicht einzeln verfolgt werden, sondern immer nur als Gesamtpaket. Sonst würden sich Konflikte bei der Umsetzung anderer Ziele ergeben, so der Tenor der zweiten Studie, die vom Wiener IIASA erarbeitet, aber noch nicht veröffentlicht wurde. "Insgesamt sind die Ziele leichter zu erreichen, wenn der Fleischkonsum reduziert wird und Konsum und Produktion auf nachhaltigen Prinzipien beruhen", resümiert Michael Obersteiner, einer der Autoren vom IIASA.

Von Weizsäcker: "Die Peinlichkeitsgrenze ist erreicht"

Da die ökologischen Ressourcen endlich sind, geht es bei den neuen Nachhaltigkeitszielen im Grunde um ihre gerechte Verteilung. "Die Reichen müssen abgeben, sonst werden die Armen immer arm bleiben", sagt von Weizsäcker. Wenn stattdessen in den Entwicklungsländern der westliche Ernährungsstil kopiert wird, dann wäre ein zusätzlicher Erdball vonnöten.

Zum Beispiel der bundesdeutsche Flächenverbrauch: Derzeit gehen täglich 71 Hektar für Siedlungen und Verkehr verloren. "Die Peinlichkeitsgrenze ist längst erreicht", kommentiert von Weizsäcker den anhaltend hohen Flächenfraß. Dieser soll eigentlich auf 30 Hektar pro Tag gesenkt werden, doch seit Jahren ist der Wert nahezu unverändert hoch.

Doch nicht nur hierzulande sorgt der Konsum der Bundesbürger für immer mehr Flächenverbauch. Auch beim Kauf von Agrarprodukten, die im Ausland erzeugt wurden, werden dort Flächen verschlissen. "Bis zu 80 Millionen Hektär Fläche werden virtuell von Deutschen importiert", sagt IASS-Direktor Klaus Töpfer. Diese indirekte Inanspruchnahme müsse bei der Formulierung der UN-Nachhaltigkeitssziele berücksichtigt werden.

Bei der UNO werden ganz andere Fragen diskutiert

Ob bei den Verhandlungen in New York allerdings die Ergebnisse der Studien berücksichtigen werden, ist mehr als fraglich. Dort hatten sich die Diplomaten zuletzt darum gestritten, ob es bei 17 Zielen bleiben soll oder ob nicht vielleicht doch weniger Ziele besser sind. Vor allem die britische Regierung drängt darauf, sich auf zehn Ziele zu beschränken – aus Vermarktungsgründen, wie es inoffiziell heißt. Zehn Ziele ließen sich tatsächlich besser vermitteln, findet auch der dänische Umweltökonom Bjørn Lomborg: "Wer der Welt etwas Gutes tun will, der muss klare Ziele formulieren." Mit sperrigen 17 Zielen sei das einfach nicht möglich.

Scheinbar das Normalste der Welt – und doch unglaublich kostbar: Unsere Böden. (Foto: Konstanze Staud)

Debattiert wurde auch darüber, ob der Klimaschutz als ein eigenes Ziel formuliert wird – etwa als eine Politik zum Erreichen des Zwei-Grad-Ziels. "Oder ob alle Ziele so formuliert werden, dass sie dem Klimaschutz dienen", wie es Joachim Fünfgelt ausdrückte, der die Verhandlungen für das International Civil Society Centre verfolgt. Fest steht immerhin: Beschlossen wird auf den UN-Verhandlungen bis Donnerstag noch nichts. Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 18. Mai angesetzt.

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