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Mit Urwald-Abholzung in die Energiekrise

Millionen Menschen im Amazonasgebiet müssen mit Wasser- und Stromrationierungen rechnen, weil es in den letzten zwei Jahren kaum regnete. Dass Brasilien auf große Wasserkraftwerke gesetzt und zu wenig für den Regenwald getan hat, könnte sich als fatal erweisen: Die Wälder sind riesige Wasserspeicher.

Brasilien steckt in der Sackgasse. Das größte lateinamerikanische Land bezieht etwa zwei Drittel seiner Elektrizität aus gestauten Flüssen, deren Pegelstände mittlerweile alarmierend niedrig sind. Experten im Land dringen deshalb auf eine Diversifizierung der Energiequellen. "Wir müssen unsere Abhängigkeit von Wasserkraftwerken und fossilen Wärmekraftwerken reduzieren, um mit den immer häufiger auftretenden Wetterextremen besser umgehen zu können", sagt der Vizepräsident des unabhängigen Vitae-Civilis-Instituts, Delcio Rodrigues.

Der San-Antônio-Staudamm während der Bauphase 2010. Kurz vor der Fertigstellung im vergangenen Jahr war auch seine Baustelle betroffen, als der Rio Madeira über die Ufer trat – ein Ereignis, das zumindest teilweise auf die Entwaldung zurückgeführt wird. (Foto: Mario Osava/IPS)

Früher wurden fast 90 Prozent des Stroms in Brasilien aus Wasserkraft gewonnen – bis zu dem großen Blackout 2001. Nach dem massiven Stromausfall, ausgelöst durch eine Reihe relativ trockener Jahre, sahen sich die Behörden gezwungen, den Strom acht Monate lang zu rationieren. Seitdem gewinnen die teuren und schmutzigen Wärmekraftwerke immer weiter an Boden. Die zumeist mit Erdöl betriebenen Kraftwerke liefern heute 28 Prozent des gesamten Stroms, während zwei Drittel aus Wasserkraftwerken kommen.

Befürworter der Wasserkraft fordern eine Rückkehr zu großen Dämmen, deren Stauseen auch längere Dürreperioden überstehen. Die unsichere Versorgungslage führen sie auf Wasserkraftwerke zurück, die aufgrund von Umweltauflagen Wasser nur für eine begrenzte Dauer stauen durften.

Nach Überzeugung von Rodrigues sind jedoch die Wälder die größten Wasserspeicher. Ohne die Entwaldung, die Auswirkungen auf sämtliche Wassereinzugsgebiete hat, könnte mehr Wasser im Boden bleiben, was wiederum die Pegelstände der Flüsse höher halten würde.

Schwund des Waldes ist wortwörtlich brandgefährlich

Doch dem Klimaforscher Antonio Donato Nobre zufolge sind 27 Prozent der Wälder im Amazonasgebiet geschädigt. Weitere 20 Prozent sind abgeholzt, wie der Wissenschaftler vorrechnet, der für das Amazonas-Forschungsinstitut und für das Nationale Institut für Weltraumforschung tätig ist.

Der Schwund und die Schädigung des Regenwaldes erhöhen auch das Risiko von Bränden, die inzwischen sogar bis in Feuchtgebiete vordringen. Riesige Flächen wurden inzwischen vernichtet. "Die Bäume in Amazonien sind nicht resistent gegen Feuer", erläutert Nobre. "Diese Wälder werden wohl Jahrhunderte brauchen, bis sie sich wieder regeneriert haben."

Nobre zufolge verändert die Entwaldung das Klima Südamerikas und verringert sogar die Niederschläge im Südosten Brasiliens. Dort wird der größte Teil der Energie aus Wasserkraft erzeugt. Nobre fordert mehr Studien über die genaue Menge an Feuchtigkeit, die in die unterschiedlichen Gewässer gelangt. So könnten die Klimabeziehungen zwischen Amazonien und anderen Gebieten beurteilt werden.

Weniger Regen, längere Dürren

Im Osten des Amazonasgebiets, wo die Zerstörung und Schädigung des Regenwaldes besonders weit fortgeschritten ist, sind die Klimaveränderungen unübersehbar. Die Niederschlagsmenge ist rückläufig und die Trockenperioden haben sich verlängert.

Nach Prognosen des Instituts für Sozialökologie ISA könnten in diesem Jahr in der Ortschaft Canarana im Xingú-Flussbecken die niedrigsten Niederschlagmengen seit 14 Jahren gemessen werden. Das Institut führt in dem Gebiet ein Nachhaltigkeitsprogramm unter anderem mit Indigenen durch.

Zahlreich und bisher umsonst waren die Proteste gegen den Megastaudamm Belo Monte am Rio Xingu. Doch ökologische Probleme werden irgendwann zu ökonomischen. (Foto: RLA Foundation)

Wenn sich die Entwicklung fortsetzt, wird auch das Wasserkraftwerk Belo Monte betroffen sein, das etwa 1.200 Kilometer weiter flussabwärts gebaut wird. Die Anlage, die mit einer Stromproduktion von bis zu 11.200 Megawatt das drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt werden soll, wird den Plänen zufolge 2019 ans Netz gehen. Bis zur Mitte des Jahrhunderts könnte die Kapazität aber um fast 40 Prozent sinken, sollte die Entwaldung in der bisherigen Geschwindigkeit fortschreiten, wie aus einer Studie von acht brasilianischen und US-amerikanischen Wissenschaftlern hervorgeht. Die Untersuchung wurde 2013 von der Nationalen Akademie der Wissenschaften in den USA veröffentlicht.

Laut Schätzungen von ISA erreichte der Waldschwund im Xingú-Becken 2013 bereits 21 Prozent. Auch auf andere große Wasserkraftwerke, die im Amazonasgebiet im Bau sind, könnten schwere Beeinträchtigungen zukommen. Am Rio Madeira, wo erst kurz zuvor die Kraftwerke Jirau und Santo Antônio an das Netz gegangen waren, kam es im vergangenen Jahr zu gravierenden Überschwemmungen, die den Betrieb der Anlagen behinderten.

Pestizide in Flüsse geleitet

In den südlichen Teilen der Amazonasregion sei mit intensiveren Wetterphänomenen sowie mit auffällig niedrigen oder hohen Wasserständen zu rechnen, meint der Hydrologe Naziano Filizola von der Föderalen Universität von Amazonas. Die Entwaldung hänge auch mit der Landwirtschaft zusammen, durch die Pestizide in die Flüsse gelangen. Auch am Rio Xingú hätten Indigene festgestellt, dass sich die Wasserqualität verschlechtert habe.

Die schlimmsten Folgen ausbleibender Regenfälle für die Energieversorgung zeigen sich in der Hochlandregion Planalto Central. DieCerrado-Savanne, deren größte Flüsse für die Erzeugung von Wasserkraft genutzt werden, ist nach dem Amazonasgebiet das wichtigste Ökosystem Brasiliens.

"Abholzungsstopp ist zu wenig"

Der Rio Paraná, der von Norden nach Süden fließt und unter Brasiliens Flüssen die höchsten Kapazitäten für die Stromgewinnung besitzt, bezieht die Hälfte des Wassers aus dem Cerrado. Im Fall des Rio Tocantins, der durch das nördliche Amazonasgebiet fließt, liege der Anteil bei 60 Prozent, erklärt Jorge Werneck vom staatlichen Agrarforschungsinstitut Embrapa. Diese beiden Flüsse speisen die beiden größten Wasserkraftwerke in Brasilien: Itaipú, das gemeinsam mit Paraguay betrieben wird, und Tucurui. Beide zählen zu den weltweit fünf größten Anlagen dieser Art.

Wälder böten eine Vielzahl von ökologischen Leistungen, aber man könne nicht behaupten, dass sie Wasser im großen Stil speicherten, meint Werneck. Die Hydrologie der Wälder bleibe "eine Herausforderung".

Dorf der Arara an der Volta Grande ("große Schleife") des Rio Xingú. Dessen Strömung wird stark reduziert werden, wenn ein großer Teil des Wassers über einen Kanal zum Staudamm Belo Monte geleitet wird, der das drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt werden soll. (Foto: Mario Osava/IPS)

Klimaforscher Nobre widerspricht. Große Wälder seien "biotische Bomben", die Wasser anziehen und Regen produzieren. Es genüge auch nicht, die Abholzung der noch vorhandenen Wälder zu verhindern. Nobre dringt auf eine unverzügliche Wiederaufforstung der Amazonaswälder, um die Ökosysteme wieder ins Lot zu bringen. Als Beispiel nennt er Itaipú. Das Wasserkraftwerk habe seinen direkten Einzugsbereich im Paraná-Flussbecken wieder aufgeforstet und die Nebenflüsse mit seinem Programm"Cultivando Agua Boa" revitalisiert.

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